Verschiedentlich wurde ich gefragt ob es die Laudatio von Horst Niebuhr auch noch einmal zum Nachlesen gibt.
Und tatsächlich war der Gute so gut zu uns. Hier also schriftlich, was noch sonor und mit viel Witz in meinen Ohren klingt:
Sehr geehrte Frau Russell, Eure Lieblichkeit Präsident Betzler, liebe Valerie Rosenzweig, lieber Frank Rosenzweig, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.
Nix un wedder nix, so seggt de Prediger, nix un wedder nix – allens is nixhaftig.
Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, daß sie sich damit plagen. Er hat alles schon gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt, nur daß der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Da merkte ich, daß es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da ißt und trinkt und hat guten Mut bei all seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes (wohlgemerkt, der Mensch!).
Was geschieht, das ist schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.
Ich habe Frank Rosenzweig nicht gefragt: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ – Das ist auch nicht wichtig, denn er hält es ja faktisch mit dem Prediger Salomo und pflegt auch in seiner Vanitasmalerei, also seiner Malerei des Vergänglichen und der Vergänglichkeit dessen Optimismus und Goethes Stirb und Werde. Und was wäre heller und lichter und damit optimistischer als diese wunderschönen Großformate, vor denen wir hier heute Abend in dieser dem Sujet besonders würdigen baulichen Umgebung stehen. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß ich damit nicht etwa eine Morbidität und Vergänglichkeit der alten Bauschule meine. ---

Ich war erst vor ein paar Tagen zum erstenmal oben in diesem Atelier, und das erste, was mich umfing, war dieses Licht und Leuchten der Vanitasbilder. Ich denke, daß dies auch das Einzigartige ist in Frank Rosenzweigs Kunst gegenüber der Vanitastradition in der Malerei. Ich meine damit Stilleben mit der üppigen Verderblichkeit der Früchte und Blumen oder in einem Arrangement totgeschossener Fasane und Hasen mit der unweigerlichen Assoziation des goût sauvage. Oder die Düsternis der danses macabres bei Max Slevogt, Lovis Corinth, Ferdinand Hodler bis hin zu Horst Janssen, der es mit dem Tod aufzunehmen und ihn zu verhöhnen trachtete, bei Strafe des eigenen Todes in der Pommeryflasche.
Nichts findet sich bei Frank Rosenzweig von dem sonst gewohnten Antibild körperlicher Fleischeslust und Verführung, nichts von der Darstellung des Körpermaterials und dessen Verfalls.
Das Alter zeigt sich in diesem Zyklus allein, jedoch ebenfalls ohne Düsternis, in dem Bild Im Strom der Zeit, wo oben die Ursuppe brodelt und blubbert und es unten rostige Schnuppen der Vergänglichkeit hagelt. In diesem Bild fiel mir auf, wie sehr die Haltung der schwangeren Frau der Haltung der Maria Magdalena gleicht, die Guido Cagnacci 1663 gemalt hat, nur daß Maria aus Magdala dort, wo Rosenzweigs Schwangere ihren dicken Bauch hat, das Ölgefäß hält. (*)
Se is mit een Glas vull dür Öl kommen. Se is mit Weenen von achtern an Jesus rangohn; ehr Tronen sünd op sien Fööt follen. Mit ehr Hoor hett se de wedder affdröögt, hett de küsst und dor dat Öl öwer goten.
Ich merke, wie der Künstler jetzt zusammenzuckt, weil er daran nun gar nicht gedacht hat. Macht nichts, Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.
Kommen wir zu den großen Akten eins bis fünf. Welch schöne Frauen und Vergänglichkeitsikonen und welch eine radikale Abwendung von Helmut Newtons Big Nudes! Die Rostbilder entstehen ja im Liegen, und Tausende von Nägeln werden dafür auf einem Leinentuch geordnet und regelmäßig begossen, bis sie schließlich gleichmäßig rostig sind und abgenommen werden, worauf sich der Rost auf dem weißen Leinen als Frank Rosenzweigs ureigenes Vanitassymbol zeigt.
Was da in dem anderen Bild als Schönheit über die Vergänglichkeit triumphiert, sind Orchidaceae Phalaenopsis, die auf Deutsch Nachtfalterorchideen genannt werden, und auch dies ist nicht ohne Vergänglichkeitssymbolik, so daß es mit dem Triumph keine große Berechtigung zu haben scheint.

Meine Damen und Herren, das mag als kleine einführende Tour d'horizon durch die Vanitaswelt hinreichen, die in diesem Sommer und Herbst hier in diesem Haus und in der Obhut seines Genius loci entstanden ist. Nicht von ungefähr und nicht ohne Symbolkraft feiern wir die Ausstellungseröffnung dieser Vanitaswelt zwischen Buß- und Bettag und Totensonntag, zugleich aber in der Gewißheit des kommenden Advents. Ich gratuliere Frank Rosenzweig von ganzem Herzen zu dieser besonderen Schöpfung.

Herzlichen Dank mein lieber Horst!
Frank
Fotos (c) Thomas Grziwa Foto-DocuMoments
Horst Niebuhr Sprachliebe - Lektorat